Von Wunsch und Wirklichkeit
Und in Sachsen-Anhalt schon mal gar nicht
Die Landwirtschaft muss nachhaltiger werden. Das ist politisch und gesellschaftlich Konsens. Klimaschutz, Schutz der Artenvielfalt, Grundwasserschutz und Tierschutz verlangen der Landwirtschaft grundlegende Veränderungen ab, um zukunftsfähig zu werden. Der Ökolandbau ist Vorreiter in vielen Bereichen bei der Lösung der Probleme und die ökologischen Leistungen, die der Ökolandbau erbringt, sind unstrittig. Dementsprechend ist der Ausbau des Ökolandbaus auf allen politischen Ebenen von EU über Bund bis hin zu den Ländern ein wichtiger Baustein für mehr Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft.
Tasächlich auf allen Ebenen?
Die EU nennt als Ziel 25% Ökolandbau bis 2030, der Bund unter der alten Regierung 20%, die neue Bundesregierung gar 30% bis 2030, so auch Bayern. Mecklenburg-Vorpommern plant gar, die 30%-Marke in der laufenden Legislaturperiode bis 2026 zu erreichen. Als einziges Land schert die neue Landesregierung von Sachsen-Anhalt bei diesen Zielen aus und spricht in ihrem Koalitionsvertrag lediglich von Bestands- und Vertrauensschutz für den Ökolandbau – doch dazu später mehr.
Die GAP-Reform als Instrument zu mehr Nachhaltigkeit?
Ein wichtiges Instrument, die genannten Ziele zu erreichen, ist die Reform der GAP (Gemeinsame AgrarPolitik der EU).
Die Förderung der Landwirtschaft in der EU basiert auf 2 Säulen. In der 1. Säule erhalten alle Betriebe finanzielle Förderung, die an die Fläche gekoppelt ist, unabhängig davon, was oder wie sie
wirtschaften. Bisher mussten dafür lediglich einige Umweltauflagen eingehalten werden (Greening). Die großen Empfänger dieser Zahlungen sind übrigens keine Landwirte, sondern Konzerne wie die
Südzucker AG oder auch die ALDI-Familie. Die 1. Säule wird zu 100% von der EU bezahlt. Bund und Länder müssen also keinen eigenen finanziellen Beitrag dazu leisten.
In der 2. Säule erhalten Betriebe Ausgleichszahlungen für Agrarumweltmaßnahmen. Das sind z.B. ein reduzierter Einsatz von Pflanzenschutzmitteln oder Düngemitteln, die Einsaat von Blühstreifen,
die extensive Bewirtschaftung von Grünland und auch die ökologische Bewirtschaftung. Die inhaltliche Begründung dieser Zahlungen der 2. Säule basiert also auf den ökologischen Leistungen, die
dadurch erbracht werden. Die Höhe der Zahlung wiederum errechnet sich aus dem Verlust des Deckungsbeitrags im Vergleich dazu, wenn der Betrieb diese Maßnahme nicht machen würde. Da sich
Marktbedingungen regelmäßig ändern, wird die Höhe der Ökoprämie von einer Kommission des KTBL (Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft) alle paar Jahre neu berechnet. Die
aktuelle Berechnung geht davon aus, dass die Ökoprämie deutlich steigen müsste, um die Wettbewerbsnachteile gegenüber konventionellen Betrieben auszugleichen. Aller Voraussicht nach wird der Bund
dem folgen und die Ökoprämie anheben. Die Ökoförderung ist also keine Zusatzprämie, sondern gleicht lediglich den Verlust im Vergleich zur konventionellen Bewirtschaftung aus.
Die 2. Säule soll der Entwicklung des ländlichen Raums dienen. So werden neben Agrarumweltprogrammen auch Investitionen zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit oder auch der Ausbau der ländlichen
Infrastruktur vom Feldweg bis zum Breitbandausbau gefördert. Die 2. Säule wird anteilmäßig von der EU (ca. 50%) und dem Bund und den Ländern finanziert. Für die Höhe der jeweiligen Förderung gibt
der Bund einen Rahmen vor (GAK-Rahmenplan, GAK=Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz), von dem die Länder dann von -30 bis +30 % abweichen können. Schon in der Vergangenheit lag in
dieser Kofinanzierung eine Wettbewerbsverzerrung, da es für „reiche“ Länder kein Problem ist, selbst die +30% zu kofinanzieren, während „arme“ Länder wie z.B. Sachsen-Anhalt schon ein Problem
haben, selbst die -30% zu kofinanzieren.
So, und was passiert nun in der aktuellen GAP-Reform ?
Der Betrag, den die Betriebe über die erste Säule erhalten, wird sukzessive gekürzt. Zudem müssen alle Betriebe 4% ihrer Flächen als Brache unbewirtschaftet lassen und höhere Umweltauflagen
erfüllen als bisher. All das gilt für konventionelle und biologisch wirtschaftende Betriebe gleichermaßen. Bisher waren Biobetriebe von diesen Zusatzverpflichtungen befreit. Sie galten als „green
per definition“.
Nur durch die Mittelkürzung in der 1. Säule hat man natürlich noch keinen ökologischen Mehrwert erzielt. Daher wurden die sogenannten Ecoschemes eingeführt. Das sind einjährige Umweltmaßnahmen,
die die Betriebe auswählen können und dafür eine Zusatzprämie je ha erhalten. Dazu zählen z.B. vielfältige Fruchtfolgen mit mindestens 5 Kulturen, der Verzicht auf chemischen Pflanzenschutz,
Agroforstsysteme auf Ackerland etc.
Diese Ecoschemes sollen die Landwirtschaft nicht nur umweltverträglicher machen, sondern durch die Zusatzprämien den Betrieben auch zusätzliche Einkommensmöglichkeiten bieten.
Blöd nur, dass Ökobetriebe diese Ecoschemes nur bedingt nutzen können, um den finanziellen Verlust durch die Kürzung der 1. Säule zu kompensieren. Begründung: Das macht ihr Ökos doch sowieso. Dann kann es auch keine zusätzlich Prämie geben.
Heißt im Klartext: Während konventionelle Betriebe die Möglichkeit haben, die Kürzungen durch Ecoschemes zu kompensieren, werden Ökobetriebe davon teilweise ausgeschlossen.
Um es ganz kompliziert zu machen, werden auch noch Mittel von der 1. In die 2. Säule umgeschichtet. Hintergrund ist eigentlich, damit mehr Geld für Agrarumweltmaßnahmen zu generieren, also auch mehr Geld für den Ökolandbau zur Verfügung zu haben. Der Vorteil dieser umgeschichteten Mittel ist, dass diese auch nach der Umschichtung in die 2. Säule komplett von der EU finanziert werden und weder von Bund noch Länder kofinanziert werden müssen. Der Nachteil ist, dass diese Gelder nicht unbedingt in der Landwirtschaft verbleiben müssen, sondern auch für andere Maßnahmen im ländlichen Raum wie z.B. Straßenbau oder digitale Infrastruktur ausgegeben werden dürfen.
So, und damit kommen wir nun nach Sachsen-Anhalt
Während andere Länder Ausbauziele für den Ökolandbau formulieren, spricht die neue Landesregierung in ihrem Koalitionsvertrag lediglich von Bestands- und Vertrauensschutz für den Ökolandbau. Positiv interpretiert könnte das eine Förderung wie bisher bedeuten. Negativ interpretiert heißt das, Schluss mit weiterem Ausbau. Uns genügt der Status quo. Doch mit ihren jüngsten Beschlüssen geht die Landesregierung im negativen selbst über diese ohnehin negative Interpretation noch hinaus und begeht damit einen klaren Bruch ihres Koalitionsvertrags.
Warum?
Per Kabinettsbeschluß hat die Landesregierung festgelegt, wie das ELER-Geld aus Brüssel aufgeteilt wird (ELER=Europäischer Landwirtschaftsfond für die Entwicklung des ländlichen Raums; der Topf
zur Finanzierung der 2. Säule). Dabei hat sie für die Landwirtschaft insgesamt weniger Geld eingeplant als bisher und mehr für andere Bereiche wie z.B. Leader-Projekte und zudem den Betrag für
den Ökolandbau auf 100 Mio. € für die Förderperiode von 2023-2027 gedeckelt. Schon alleine dadurch ist ein weiterer Ausbau des Ökolandbaus in Sachsen-Anhalt nicht mehr finanzierbar. Besonders
perfide wird das ganze noch dadurch, dass das Kabinett inklusive Wirtschafts- und Landwirtschaftsminister Schulze (CDU) festgelegt hat, dass dafür überwiegend die Umschichtungsmittel aus der 1.
Säule verwendet werden. Dies hat zur Folge, dass kaum zusätzliche Mittel aus der Kofinanzierung durch Bund und das Land hinzu kommen. Dies ist eine deutliche Benachteiligung des Ökolandbaus.
Damit stehen nun noch nicht einmal genügend Mittel zur Verfügung, um die bestehenden Ökobetriebe in der bisherigen Höhe zu fördern.
Ob diese Entscheidungen im vollen Bewusstsein der Folgen getroffen wurden und damit Teil einer politischen Agenda sind, vermag ich nicht zu beurteilen. Tatsache ist aber, dass es damit nicht nur
keinen weiteren Ausbau des Ökolandbaus in Sachsen-Anhalt geben wird, sondern dass sogar langjährig etablierte Ökobetriebe in Sachsen-Anhalt, die für den ländlichen Raum wichtige regionale
Wertschöpfungsketten aufgebaut haben, ab 2023 in existentielle Schwierigkeiten geraten werden. Andere Bundesländer werden den finanziellen Verlust für Ökobetriebe durch eine Erhöhung der
Ökoprämie ausgleichen. Sachsen-Anhalt hat sich diese Möglichkeit selbst genommen. Dass sich die Betriebe in einem gemeinsamen Markt mit anderen Ökobetrieben in Deutschland bewegen versteht sich
von selbst. Durch höhere Marktpreise werden sich die Einbußen für die Betriebe in Sachsen-Anhalt also nicht kompensieren lassen. Wie dies ansonsten geschehen kann, dazu fehlt mir derzeit noch die
Phantasie.