Bodenrecht muss dringend reformiert werden
Die Preise für Agrarland sind in Deutschland zwischen 2005 und 2015 um durchschnittlich 116% gestiegen, in Ostdeutschland sogar überdurchschnittlich um bis zu 350%. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Der Boden als Grundlage der Landwirtschaft ist nicht vermehrbar. Vielmehr sinkt die landwirtschaftlich nutzbare Fläche in Deutschland jeden Tag um mehrere Hektar (1ha = 10.000 m²). Zwischen 1994 und 2014 sind alleine 860.000 ha landwirtschaftlich genutzte Fläche unter Beton und Asphalt verschwunden für Gebäude- und Straßenbau. Hinzu kommen die seit Jahren niedrigen Zinsen. Rentable Geldanlagen sind daher rar gesät und der Kauf von Ackerland verspricht hohe Renditen. Entsprechend aktiv sind beim Ackerkauf inzwischen daher auch in Deutschland außerlandwirtschaftliche Investoren, die sich eine stabile Geldanlage mit hoher Rendite versprechen.
Zu den größten Besitzern von Ackerland in Deutschland gehören inzwischen Versicherungen wie die Münchner Rück, Betriebe der Lebensmittelindustrie wie die Südzucker AG, Abfallbeseitiger wie
Rethmann oder Möbelfabrikanten wie die Steinhoff-Gruppe. Der Preisanstieg der letzten Jahre gibt diesen Spekulanten leider Recht. In die Röhre schauen dabei immer öfter die ortsansässigen
Landwirte, die sich den Kauf der von ihnen bewirtschafteten Fläche, die praktisch ihre Existenzgrundlage darstellt, nicht mehr leisten können. Zwar sind im Bodenrecht Klauseln verankert, die
eigentlich sicher stellen sollen, daß primär Landwirte beim Ackerkauf zum Zuge kommen, doch werden diese Klauseln inzwischen durch allerlei juristische Finessen geschickt umgangen. So greifen
diese gesetzlich verankerten Barrieren z.B. nicht, wenn ganze Betriebe im Zuge des Kaufs von Anteilen übernommen werden. Viele Betriebe firmieren inzwischen als juristische Personen z.B. als GmbH
und wenn Geschäftsanteile einer GmbH gekauft werden, wandert die Fläche automatisch zum Käufer. Dieser Flächenübergang zum Käufer im Zuge des Anteilskaufs ist aber nicht dem landwirtschaftlichen
Bodenrecht unterworfen, so dass insbesondere hierdurch vermehrt Landwirtschaftsflächen zu außerlandwirtschaftliche Investoren wandern. Doch sind außerlandwirtschaftliche Investoren per se böse
und ab wann fängt Land Grabbing an? Die Situation am Bodenmarkt zwingt inzwischen auch den Ökolandbau dazu, sich solcher Investoren zu bedienen. So hat z.B. die GLS-Bank die Bio-Bodengenossenschaft ins Leben gerufen, um mit deren Hilfe Flächen zu kaufen und sie anschließend
langfristig an Bio-Bauern zu verpachten. Hier kann jeder Anteile kaufen und wird damit Teil der Genossenschaft. In einigen Fällen ist es dadurch überhaupt nur gelungen, die Flächen für die
bewirtschaftenden Bio-Bauern langfristig zu sichern. Oder wenn ein Naturkosthändler einen Landwirtschaftsbetrieb kauft, um ihn dann mit den Mitarbeitern vor Ort auf Ökolandbau umzustellen und
dadurch zusätzliche Wertschöpfung in der Region nachhaltig geschaffen wird. Ist das Land Grabbing? Meiner Meinung nach kann man dann von Land Grabbing sprechen, wenn das Land zum
Spekulationsobjekt wird und der Bewirtschaftung den ortsansässigen Betrieben entzogen wird. Dann setzt eine negative Kettenreaktion für die ganze Regionein, in dem dieser der wirtschaftliche
Ertrag entzogen wird. Den ortsansässigen Betrieben, deren Familien und Mitarbeiter in der Region verankert sind und die Verantwortung in der Region tragen und vielfach zur Entwicklung auf dem
Land und der Dörfer beitragen, wird die Existenzgrundlage entzogen. Die Flächen werden dann häufig von Lohnunternehmen bewirtschaftet, die nur zum „ackern“ vorbei kommen, aber ansonsten kein
Interesse am dörflichen Leben haben und auch nicht am Erhalt einer intakten Umwelt. Die Wertschöpfung wandert aus der Region ab und auch die
öffentlichen Einnahmen sinken, da die Steuerträge ebenfalls abwandern. Die Folgen kann man sich leicht ausmalen. Zurück bleiben irgendwann ausgeräumte Landschaften und leblose Dörfer. Ein
Horrorszenario, das aber durchaus in manchen Landstrichen Ostdeutschlands schon zu beobachten ist.
Daher ist es für die Politik dringend an der Zeit zu handeln und das Bodenrecht zu reformieren. Die Baustellen hierbei sind offensichtlich. Dafür zuständig sind die Bundesländer. Doch die tun
sich damit mächtig schwer, da ihnen dabei viel Gegenwind entgegen bläst und zumindest kurzfristig politisch wenig zu gewinnen ist. Der ehemalige Landwirtschaftsminister von Sachsen-Anhalt Aeikens
(CDU) war hier einst Vorreiter, ist aber auch an vielen Widerständen gescheitert. Aktuell wagt sich der Landwirtschaftsminister von Niedersachsen (Grüne) mit einem Gesetzentwurf vor. Die anderen schauen eher zu, wie es ihm dabei ergeht und hoffen insgeheim vielleicht wieder auf schnell steigende Zinsen und einem
sinkenden Interesse am Ackerkauf. Ich fürchte allerdings, dass sich diese Hoffnung eher als Fehlspekulation erweist.